Icon 2
Leukämie

Leukämie – was jetzt?

Mit der Diagnose Leukämie begann für Domenique nicht nur eine körperlich belastende Therapie, sondern auch eine Zeit des Hoffens und Bangens: Domenique war auf eine Spende von Blutstammzellen angewiesen. Erfahren Sie in diesem Kapitel alles rund um Leukämie und deren Behandlungsmöglichkeiten. 

Sie können Entstehung, Ursachen und Formen der Krankheit Leukämie und deren Behandlungsmöglichkeiten beschreiben.

Beim Beispiel von Domenique handelt es sich um den konkreten Fall einer Leukämie, bei der eine Blutstammzelltransplantation lebensrettend war. Welche Gedanken und Gefühle löst das Video bei Ihnen aus? Tauschen Sie sich in der Klasse aus.

Was wissen Sie über Leukämie? Klären Sie verschiedene Begriffe und legen Sie mit den Begriffkarten eine inhaltlich sinnvolle Struktur. Die Technik des Strukturlegens ist im Lernjournal genauer beschrieben (Gruppenarbeit).

Was ist Leukämie?

Der Begriff «Leukämie» steht für eine Gruppe von unterschiedlichen Krebserkrankungen des blutbildenden Systems, bei denen es zu einer ungebremsten und krankhaften Vermehrung der weissen Blutkörperchen kommt. Darauf weist auch der Begriff «Leukämie» hin. Er bedeutet übersetzt «weisses Blut». Durch die sich stark vermehrenden weissen Blutkörperchen (Leukämiezellen) werden die gesunden Zellen im Knochenmark verdrängt.

Entstehung von Leukämien

Alle Zellen des Blutes werden durch schrittweise Teilung und Reifung von multipotenten Stammzellen im Knochenmark gebildet. Aus ihnen entstehen die Vorläuferzellen, die sogenannten Blasten. Das sind unreife, nicht differenzierte Zellen, die sich dann zu reifen Leukozyten, Erythrozyten und Thrombozyten entwickeln (differenzieren). Ist die Zellentwicklung abgeschlossen, gelangen die Zellen schliesslich aus dem Knochenmark ins Blut.

Hinweis

Die Blutbildung wird hier ausführlicher erklärt: Modul 1, Kapitel .

Abb. 1: Schematische Darstellung der normalen Blutbildung und der gestörten Blutbildung bei einer akuten myeloischen Leukämie. Quelle: Blutspende SRK Schweiz (2023)
Abb. 1: Schematische Darstellung der normalen Blutbildung und der gestörten Blutbildung bei einer akuten myeloischen Leukämie. Quelle: Blutspende SRK Schweiz (2023)

Bei Leukämien ist der normale Reifeprozess der Blutzellen gestört. Es werden unvollständig entwickelte weisse Blutkörperchen ins Blut entlassen. Dies sind funktionsuntüchtige Zellen, also quasi kaputte Leukozyten, die ihre eigentliche Aufgabe im Körper nicht mehr ausführen können. Sie werden als leukämische Zellen bezeichnet. Da sich diese Zellen meist sehr schnell und unkontrolliert vermehren, reichern sie sich im Knochenmark an und verdrängen dort zunehmend die normale Blutbildung. Dadurch wird die Neubildung von Erythrozyten, Thrombozyten und normalen Leukozyten vermindert (Abb.1).

Die Folgen der unkontrollierten Vermehrung der leukämischen Blutzellen sind verheerend: Die Zahl gesunder Zellen im Blut sinkt, und das Blut kann seine lebensnotwendige Funktion nicht mehr erfüllen. Der Mangel an Erythrozyten führt zur Blutarmut, der sogenannten Anämie. Der Mangel an Thrombozyten kann zu einer schweren Blutungsneigung führen. Zudem können die entarteten weissen Blutkörperchen den Körper nicht mehr vor Infektionen schützen.

Verschiedene Arten von Leukämien

Im Wesentlichen werden vier Arten von Leukämien unterschieden:

  • Akute lymphatische Leukämie (ALL)
  • Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
  • Akute myeloische Leukämie (AML)
  • Chronische myeloische Leukämie (CML)

Diese Einteilung beruht auf der Art des Krankheitsverlaufs (akut und chronisch) und der betroffenen Vorläuferzellen (myeloische und lymphatische Zellreihe).

Die akuten Leukämien treten meist plötzlich und mit Krankheitszeichen auf. Bei chronischen Leukämien hingegen sind oftmals kaum Symptome vorhanden. Sie beginnen schleichend und entwickeln sich langsam über Monate und Jahre.

Symptome

Erste Krankheitszeichen einer akuten Leukämie können sein:

  1. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit, Blässe und Blutarmut
  2. Häufige Blutergüsse und Blutungen (Nasen- oder Zahnfleischbluten, blaue Flecken)
  3. Häufige Infektionen, die nicht mehr abklingen

Versetzen Sie sich in die Rolle einer Ärztin oder eines Arztes und überlegen Sie, was jeweils die Ursachen der drei Krankheitszeichen sein könnten (Einzelarbeit). Schreiben Sie ihre Vermutung ins Lernjournal.

Ursachen und Risikofaktoren

Leukämie ist in der Schweiz selten und macht nur wenige Prozent aller Krebserkrankungen aus. Umso mehr fragen sich Betroffene, wieso ausgerechnet sie an Leukämie erkrankt sind.

Welche Ursachen zur Entstehung von Leukämien führen können, ist bis heute unklar. Es gibt jedoch einige Faktoren, die das Risiko einer Erkrankung zu erhöhen scheinen:

  • Genetische Faktoren: Es wird vermutet, dass sie eine Rolle spielen, da in manchen Familien gehäuft Leukämieerkrankungen auftreten.
  • Radioaktive Strahlung: Nach der Explosion der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki kam es in Japan aufgrund der freigesetzten radioaktiven Strahlung zu deutlich mehr Leukämieerkrankungen. Die Strahlenbelastung führt zu Schädigungen im Erbgut, insbesondere in Zellen, die sich häufig teilen. Dazu gehören die blutbildenden Zellen im Knochenmark, die besonders anfällig sind.
  • Vorherige Chemo- oder Strahlentherapien: Medikamente, die bei einer Chemotherapie eingesetzt werden, aber auch Bestrahlungen können Schädigungen im Knochenmark verursachen, was Jahre später zu einer Leukämie führen kann.

Diagnosestellung

Besteht der Verdacht auf eine Leukämie, wird ein Bluttest gemacht. So erhält die Ärztin oder der Arzt Informationen über die Menge, die Zusammensetzung und das Aussehen der Blutzellen. Ein Blutausstrich unter dem Mikroskop sieht so aus:

Abb. 2: Im Blutbild links sind hauptsächlich Erythrozyten (kernlose Zellen) und einzelne  ausgereifte Leukozyten (hellblau) zu sehen. Im Blutbild rechts, das Leukämie anzeigt, sind Leukämiezellen (violett) und eine reduzierte Zahl an Erythrozyten zu erkennen. Quelle: Blutspende SRK Schweiz (2023)
Abb. 2: Im Blutbild links sind hauptsächlich Erythrozyten (kernlose Zellen) und einzelne ausgereifte Leukozyten (hellblau) zu sehen. Im Blutbild rechts, das Leukämie anzeigt, sind Leukämiezellen (violett) und eine reduzierte Zahl an Erythrozyten zu erkennen. Quelle: Blutspende SRK Schweiz (2023)

Werden Veränderungen festgestellt und erhärtet sich der Verdacht auf eine Leukämie, wird eine Knochenmarkpunktion angeordnet, die zusätzliche Informationen liefert.

Vergleichen Sie die beiden Blutbilder im Lernjournal und ziehen Sie eine Schlussfolgerung zu den festgestellten Unterschieden (Einzelarbeit).

Recherchieren Sie auf der Webseite der Krebsliga nach Antworten auf diese Fragen:

  • Wie viele neue Fälle an Leukämie treten pro Jahr in der Schweiz auf?
  • Wie gross ist der Anteil der Leukämie-Neuerkrankungen an den gesamten Krebs-Neuerkrankungen?
  • Welche Altersgruppe ist am häufigsten von Leukämie betroffen?
  • Wie gross ist die Überlebensrate bei Leukämie?
  • Wie viele Leukämiekranke sterben pro Jahr an der Krankheit?

Notieren Sie die Ergebnisse Ihrer Recherche im Lernjournal (Einzel- oder Partnerarbeit).

Nach der Diagnosestellung wird eine auf die Art der Leukämie und das Krankheitsstadium abgestimmte Behandlungsstrategie festgelegt. Grundsätzlich geht es bei der Behandlung von Leukämien darum, alle bösartigen Zellen abzutöten und ihre Weitervermehrung zu stoppen. Viele Leukämien können heute wirksam behandelt und einige sogar geheilt werden. Die hauptsächlichen Behandlungsmethoden sind:

Chemotherapie

Bei allen Leukämieerkrankungen wird in der Regel eine Chemotherapie durchgeführt. Dabei werden Medikamente, die sogenannten Zytostatika, eingesetzt. Zytostatika sind Wirkstoffe, die das Wachstum der Leukämiezellen hemmen oder ganz verhindern. Dadurch bewirken sie, dass sich die Tumorzellen nicht weiter teilen. Zytostatika schädigen als Nebenwirkung aber auch sich schnell teilende gesunde Zellen wie zum Beispiel Zellen der gesunden Blutbildung, Zellen der Haare und der Schleimhäute.

Eine Chemotherapie kann entweder über Tabletten oder über Infusionen verabreicht werden.

Strahlentherapie

In gewissen Fällen muss zusätzlich zur Chemotherapie auch eine Strahlentherapie gemacht werden. Bei dieser werden die Atome und Moleküle in den Tumorzellen verändert. Dies soll zum Absterben der Zellen führen.

Blutstammzelltransplantation

Wird das Risiko für einen Rückfall bei einer Leukämie trotz Therapie als hoch eingestuft, ist die Transplantation von gesunden Blutstammzellen für Leukämiepatienten oft die einzige Hoffnung auf eine langfristige Genesung. Für die Blutstammzelltransplantation wird eine grössere Anzahl gesunder Blutstammzellen benötigt, die der erkrankten Person übertragen werden.
Es kommen zwei verschiedene Verfahren infrage:

Autologe (eigene) Transplantation

Bei der autologen Transplantation ist die spendende und die empfangende Person dieselbe. Das heisst, am Beispiel einer Patientin, dass sie die Blutstammzellen für sich selbst spendet. Diese werden ihr vorab in einer Phase entnommen, in der genügend gesunde Blutstammzellen vorhanden sind. Der Patientin werden Wachstumsfaktoren verabreicht, damit sich die Blutstammzellen im Knochenmark vermehren. Sind diese gebildet, werden sie über die Vene aus dem Blut genommen, eingefroren und der Patientin nach Abschluss der Therapie (Hochdosis-Chemotherapie) über eine Infusion wieder zurückgeführt. Auf diese Weise kann sich die Blutbildung schneller wieder erholen.

Vorteil: Blutstammzellen und Körper vertragen sich. Es kommt zu keiner Abstossungsreaktion (siehe HLA-Merkmale im Kapitel ).

Nachteil: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit den eigenen Blutstammzellen auch wieder kranke Zellen in den Körper gelangen.

Abb. 3: Autologe und allogene Blutstammzelltransplantation im Vergleich. Quelle: Blutspende SRK Schweiz (2023)
Abb. 3: Autologe und allogene Blutstammzelltransplantation im Vergleich. Quelle: Blutspende SRK Schweiz (2023)

Allogene (fremde) Transplantation

Bei der allogenen Transplantation sind die spendende und die empfangende Person verschiedene Personen. Ziel ist es, eine spendende Person zu finden, bei der möglichst viele Gewebemerkmale (HLA) mit denen der Patientin oder des Patienten übereinstimmen. Zuerst wird in der Familie nach einer passenden spendenden Person (Geschwister) gesucht. Findet sich kein Match in der Familie, muss nach einer nicht verwandten spendenden Person gesucht werden. Transplantiert werden dann Blutstammzellen oder Knochenmark einer anderen Person (siehe auch Modul 3, Kapitel ).

Bei der peripheren Blutstammzellenspende werden der spendenden Person Wachstumsfaktoren verabreicht, damit sich die Blutstammzellen im Knochenmark vermehren. Diese neu gebildeten Zellen werden mittels Zellseparator aus dem Blut entnommen.

Bei der Knochenmarkspende wird der spendenden Person Knochenmark direkt aus dem Beckenkamm (oberer Teil des Hüftknochens) entnommen.

Vor der Transplantation werden bei der Patientin oder beim Patienten durch Chemotherapie und/oder Bestrahlung die Krebszellen und das blutbildende Knochenmark zerstört. Während dieser Zeit hat die Patientin oder der Patient keine funktionierende Blutbildung mehr und die Immunabwehr fehlt weitgehend. Bereits kleine Infektionen können für den Körper gefährlich werden. Deshalb muss die Patientin oder der Patient auf einer Isolationsstation betreut werden.

Die neuen Blutstammzellen werden durch eine Infusion verabreicht und finden selbstständig den Weg vom Blut ins Knochenmark. Dort beginnen sie, sich zu vermehren und neue gesunde Blutzellen zu bilden. Nach zwei bis drei Wochen beginnen neue rote und weisse Blutkörperchen sowie Blutplättchen im Blut der erkrankten Person zu zirkulieren.

Vorteil: Mit dem Transplantat werden gesunde Blutstammzellen übertragen. Diese helfen mit, die restlichen bösartigen Zellen im Körper der Patientin oder des Patienten zu beseitigen.

Nachteil: Es kann zur Abstossung der transplantierten Zellen kommen oder die neuen Blutstammzellen können den Körper der Patientin oder des Patienten abstossen (Graft-versus-Host-Disease GvHD).

Mehr zu den Abstossungsreaktionen erfahren Sie im Kapitel  im Abschnitt «HLA in der Blutstammzell-Transplantationsmedizin».

Nach der Blutstammzelltransplantation

Nach der Blutstammzelltransplantation muss die Patientin oder der Patient weiter in Isolation im Spital bleiben, bis die neuen Zellen angewachsen sind und sich genügend neue Blutzellen und auch eine Immunabwehr gebildet haben. Dies dauert in der Regel mehrere Wochen.

Auch nach dem Austritt aus dem Spital ist das Immunsystem einer transplantierten Person noch sehr geschwächt und anfällig für Infekte. Die Patientin oder der Patient muss nach der Transplantation strikte Hygienemassnahmen einhalten und auch beim Konsumieren von Lebensmitteln sehr viel beachten.

Spannend: Nach einer allogenen (fremden) Blutstammzellspende übernimmt die Patientin oder der Patient das Immunsystem der Spenderin oder des Spenders. Das heisst auch, dass die Blutgruppe von der spendenden Person übernommen wird. Allfällige Allergien können ebenfalls von der Spenderin oder dem Spender übernommen werden – oder alte Allergien verschwinden.

Autologe und allogene Blutstammzellspende: Nennen Sie Unterschiede bezüglich der Risiken der beiden Transplantationsarten (Einzelarbeit).

Testen Sie Ihr Wissen über das Krankheitsbild, die Symptome, die Folgekomplikationen und die Behandlungsmethoden einer Leukämie mithilfe des Lückentexts im Lernjournal (Einzelarbeit).